Am letzten Freitag tagte der Vorstand der DGHK Berlin-Brandenburg (Regionalverband der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind). Wir beschlossen unter anderem, einen offenen Brief an den Berliner Schulsenator Zöllner zu schreiben:
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Zöllner,
in Bezug auf die aktuelle Diskussion hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen für die Gymnasien möchten wir Sie auf den besonderen Aspekt und die Problematik der hochbegabten Kinder hinweisen.
Wie Ihnen sicherlich aus vielen Diskussionen bekannt ist, bedeutet die Tatsache, dass Kinder hochbegabt sind, nicht automatisch, dass sie auch Hochleister sind. Sofern Sie die Zugangsvoraussetzungen für das Gymnasium reglementieren, gehen wir davon aus, dass die Kinder, die nachgewiesenermaßen einen Anspruch auf besondere Förderung nach §4 Abs. 3 des Schulgesetzes haben, einen Rechtsanspruch auf einen Platz am Gymnasium bekommen.
Für weitere Informationen und Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Am Montag ging der Brief vorab per Fax an Herrn Zöllner und einige weitere Leute in der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung raus. Am Dienstag schickte ich ihn dann an den Tagesspiegel und die Elternliste. Auf letzterer löste er eine mitunter hitzige Debatte aus. Ich hatte alle Mühe, klarzustellen, dass es uns bei der DGhK letztlich nur um Schadensbegrenzung geht, und darum, Hochbegabten die Option auf einen Gymnasialplatz offen zu halten. Heute rief mich André Schindler vom Landeselternausschuss Berlin an. Er stimmt mit unserer Forderung überein und wird sich dafür einsetzen, dass sie umgesetzt wird.
Zum Hintergrund
Der Berliner Schulsenat ist dabei, Haupt- und Realschulen zu einer einheitlichen Sekundarschule zusammenzulegen. Damit gibt es in Berlin dann nur noch die Schulformen Grundschule, Sekundarschule und Gymnasium. Zu erwarten ist, dass noch deutlich mehr Eltern als zuvor ihre Kinder dann auf dem Gymnasium unterbringen wollen. Mangels Plätzen müssten sehr viele abgewiesen werden, also versucht der Senat, eine „objektive“ Regelung einzuführen, nämlich eine Art Numerus Clausus (NC) für Gymnasien. Die Schulnoten der Grundschule entscheiden dann darüber, wer aufs Gymnasium darf und wer nicht.
Ich habe darüber gelästert, dass dies zu migrantenfreien und mädchenorientierten Gymnasien führen würde. Das ist natürlich überspitzt ausgedrückt, trifft aber den Kern der Sache, nämlich dass Mädchen gegenüber Jungen besser bewertet werden und ohnehin schon weit öfter eine Gymnasialempfehlung erhalten. Was Kinder mit Migrationshintergrund angeht, brauche ich wahrscheinlich nichts weiter zu sagen: Die würden durch eine NC-Regelung noch stärker benachteiligt als bisher.
Wir von der DGhK betreiben in dieser Situation Schadensbegrenzung für unsere Klientel, mehr nicht. Auch hierüber gab es auf der Elternliste eine Menge Gemurre, aber wir sind nun mal kein Verein, der die gesamte Welt verbessern will, sondern ein Forum und eine Interessenvertretung für eine bestimmte Gruppe von Menschen, eben Hochbegabte und ihre Eltern.
Update
Der Berliner Landeselternausschuss (LEA) spricht sich für Beibehaltung des Elternwillens und der Probezeit aus:
Die künftige Regelung des Übergangs von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen darf nicht zu einer Einschränkung des Elternwillens führen, welcher bisher durch die Regelungen im Schulgesetz berücksichtigt wird. Nach dem geltenden Schulgesetz (§ 56) wählen die Eltern (Erziehungsberechtigten) den Bildungsgang und die Schulart, den bzw. die ihr Kind nach der sechsjährigen Grundschule besuchen soll. Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium besuchen, müssen für den jeweiligen Bildungsgang geeignet sein (§ 56 Abs. 4 Schulgesetz). Die Eignung wird in einem Probehalbjahr in Klasse 7 festgestellt.
Die bisherige Regelung hat sich in der langjährigen Praxis bewährt. In den vergangenen 10 Jahren haben durchschnittlich 75 % der Schüler mit Realschulempfehlung die Probezeit auf dem Gymnasium bestanden. Im gleichen Zeitraum hat sich die Quote der Schulabgänger mit Allgemeiner Hochschulreife von 28,3 % auf 41,0 % erhöht.
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